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Baumeister 8/2004, Seite 16
Wir können auch anders. Camp for Oppositional Architecture
Shirin Homann-Saadat

"Ich möchte vermitteln, dass es immer verschiedene Optionen gibt, Alternativen zu diesem idiotischen Konsens, bei dem alle der gleichen Meinung sind, bloß weil es so einfacher und bequemer ist." Philippe Rekacewicz, der der Zeitschrift An Architektur auf bemerkenswerte Art von seiner Arbeit am Atlas der Globalisierung berichtete, hätte mit seinen Worten auch das Camp for Oppositional Architecture einleiten können, das Ende Juni in Berlin stattfand. Ebenfalls von An Architektur initiiert und von der Kulturstiftung des Bundes gefördert, wurde diese Veranstaltung Treffpunkt vieler unbequemer Geister, deren politisches Denken und Handeln über private Haltung hinausreichen und den Kern ihrer Arbeit ausmachen: der Kritik und Produktion von Raum.

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit stellten die 100 internationalen Architekten und Künstler fest, dass sie mit ihren facettenreichen Brüchen etablierter architektonischen Rituale weniger isoliert dastehen als sie es vor dem Camp vielleicht noch dachten. So wurde an der Rohfassung einer gemeinsamen Charta gearbeitet und die Fortsetzung des Camps in Schottland beschlossen. Geladen sind alle, die der Praxis architektonischer Haute Couture sowie teilnahmsloser Raumumbauung das Feld nicht überlassen wollen.

Bryan Bell, einst Mitstreiter der Rural Studios und Gründer von Design Corps, berichtete über die zwei Prozent der Bevölkerung auf die sich Architekten normalerweise stürzen und betonte, dass ihn die 98 Prozent, die sich keine Architekten leisten können, eigentlich mehr interessieren. Er sprach über unsere Verantwortung, Architektur auch dem nicht wohlhabenden Teil der Gesellschaft zu ermöglichen, und unterstrich, wie viele andere Teilnehmer auch, das Potenzial lokaler Initiativen und direkter Einbindung derer, für die Raum entstehen soll.

Peter Marcuse hingegen wünschte sich Projekte, die sich den Auswirkungen des "Kriegs gegen Terrorismus“ widmen, den Einschränkungen von Rechts- und Sicherheitsräumen, sowie den globalen städteplanerischen Veränderungen seit dem 11. September.

Parallel zu den Vorträgen tauschten sich die Teilnehmer des Camps über ihre Arbeit in Krisengebieten und mit gesellschaftlichen Randgruppen aus, interpretierten ihre Lehraufträge um, sprachen über alternative Konstruktionsmethoden oder beobachteten Annie On Ni Wan, wie sie mit ihrem Laptop durch den Bezirk Wedding zog, in dem das Camp bezeichnender Weise stattfand, um Wireless space zu erkunden.

Wünschenswert wäre gewesen, dass sich der Charta-Entwurf nicht primär sprachlich sondern über konkrete Projekte entwickelt hätte. Doch was nicht ist, wird in Schottland werden. Berlin war ein Anfang, bei dem eines klar wurde: Es gibt nicht nur viele freischaffende, sondern auch eine Menge frei denkender Architekten, und sie haben soeben begonnen, sich zu organisieren.